Als wir nach einer tausenden von Kilometern lange Reise vom Süden bis nach Dawson City im Norden Kanadas erreicht hatten, ließen meine Freundin und ich der ziemlich spontanen Idee, einen Hund zu adoptieren, Taten folgen und besuchten das örtliche Tierheim. Unscheinbar und etwas heruntergekommen empfing uns das „Humane Society“ etwas außerhalb von Dawson. Wir gingen rein und uns empfingen einige Katzen, draußen dann auch eine Hand voll Hunde. Zwei oder drei davon waren zur Adoption freigegeben, die anderen waren nur urlaubsweise da. Und dann tauchte da dieser blauäugige, tollpatschige und kurzbeinige Husky auf. Dieses exklusive Äußere hatte etwas Skurriles, Andersartiges und auf jeden Fall Besonderes. Es stellte sich heraus, dass er bereits ausgewachsen war und seine kurzen Beine von einer Corgi-Mama vererbt wurden. Zur eigenen Überraschung hörte der erst sechs Monate alte kleine Racker auf seinen Namen „Jake“ bei jedem Zuruf während des „Probegassigehens“. Ohne zu übertreiben, hatte dieser Kerl unsere Herzen erobert und wir entschieden uns nach eintägiger Überlegung, ihn zu adoptieren und mitzunehmen.

Das erste Bild von Jake vor dem Tierheim
Das allererste Bild von Jake

Work&Travel mit Hund – ein neuer Reisepartner

Das Ganze war erstaunlich günstig, denn die 130 Dollar beinhalteten neben dem Hund auch noch Impfungen und eine kleine Ausrüstung, wie eine Leine und ein Halsband. Warum es uns nicht schwer fiel ihn mitzunehmen, war nicht nur seine charismatische Ausstrahlung. Wir dachten uns, dass wir nichts falsch machen können. Denn: wenn es mit ihm klappt, behalten wir ihn. Wenn nicht, geben wir ihn in ein anderes Tierheim. Auch das wäre für ihn ja nicht schlimm gewesen, denn er hätte die Welt ein bisschen besser kennengelernt auf der Reise und der nächste Besitzer hätte sich nicht mehr um die Impfungen und Papiere kümmern müssen. 

Die Mitarbeiterin im Tierheim fragte uns dann noch, ob wir denn Erfahrungen mit Hunden hätten, was ich bejahte. Was aber nicht stimmte. Und zwar überhaupt nicht. Aber was hätte ich denn sagen sollen. Man stelle sich die Situation vor, in der zwei junge (20 und 19 Jahre alte) Kartoffelkopftouristen aus Deutschland ins Tierheim kommen und mal eben einen Hund mitnehmen wollen. Würdest DU ihn einfach so mitgeben? Vor allem, wenn die Leute noch nie einen Hund hatten? Man könnte da mit der Toleranz etwas an die Grenzen stoßen. 

Es hat jedenfalls funktioniert und das ist doch super (Jahre später habe ich mit ihr und dem Tierheim wieder Kontakt aufgenommen und sie wissen lassen, dass es Jake immer noch gibt und es ihm gutgeht. „Oh my gosh, that`s so amaaaaaaziiiiing“). Wir konnten es kaum glauben, aber von jetzt auf nachher hatten wir einfach einen kleinen Brotkasten mehr im Auto.

Der Husky-Corgi Jake im Auto auf Reisen
Ein Husky-Corgi auf Reisen

Mit einem kurzbeinigen Husky durch ein verrücktes Alaska

Ich bin der Meinung, dass man auf Reisen einen Weg – nach Möglichkeit – nicht zweimal nehmen sollte. Also entschieden wir uns, einen Umweg über Alaska und weiter südlich wieder nach Kanada zu fahren. Wir verließen Jakes Heimatstadt, bei der der Klondike River in den Yukon River mündet, mit der Fähre und setzten zum anderen Ufer über.

Schon bald erreichten wir die Grenze zum nördlichsten Bundesstaat der USA: Alaska. Die Grenzkontrolle war erstaunlich entspannt (Okay, welcher Terrorist überquert auch die Grenze von Kanada nach Alaska, um dann einen Baum in die Luft zu sprengen?). Die Straße als “Willkommen in den USA” jedoch ist alles andere als entspannt. Man kann selten schneller als 30 km/h fahren, weil man sonst sämtliche Achsen vom Auto begraben könnte. Aber wen juckt das Tempo, wenn man auf dem Top of the World Highway fährt. Man kann in endlose Weiten sehen und fühlt sich tatsächlich so, als würde man auf dem Dach der Welt fahren.

Ein "Herzlich Willkommen in Alaska"-Schild an der Grenze zu Kanada
Auf dem Top of the World Highway in Alaska

Irgendwann haben wir Pause gemacht im absoluten Nirgendwo. Weit und breit keine Zivilisation in Sicht, also gehe ich etwas von der Straße ab, um den armen Pflanzen etwas Flüssigkeit zu spenden. Das tue ich und will mich umdrehen, als mir jemand von einer Anhöhe „What ya doin here?“ zuruft. In Alaska gibt es aber nicht einfach nur einen Jemand. Der Jemand hier war ein älterer Mann mit einer Schrotflinte in der Hand. Oder war es doch ein Jagdgewehr? Okay, ist mir in dem Moment auch scheißegal, weil ich einfach nur zurück will. Ich sage noch so etwas wie „nothing, nothing, sorry“ und drehe mich um, um zum Auto zu laufen. Mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass man gerade in Alaska das „Stand your ground“-Gesetz mit aller Vehemenz verteidigt – was so viel heißt wie, dass du einfach jeden abknallen kannst, der dein Grundstück unbefugt betritt – hoffe ich einfach, dass ich nicht bald eine Kugel statt Gedanken im Hinterkopf habe. Aber wie du schon vermutest, ist es gutgegangen, da ich gerade darüber schreibe. Ich bin ja grundsätzlich ein offener und hilfsbereiter Mensch ohne Berührungsängste. Wenn dir allerdings jemand bewaffnet gegenübersteht, nachdem du gerade auf sein Grundstück gepinkelt hast, möchte ich lieber weniger mit ihm zu tun haben.

Ein müder Husky entspannt sich
Jake dagegen war die ganze Zeit entspannt

 

Eines Nachts in Alaska…

Es ging weiter und irgendwann dauerte es tatsächlich Stunden, bis uns wieder ein Auto begegnete. Es wurde Nacht und wir fuhren weiter – entgegen unserer selbst auferlegten Regel, nur tagsüber zu fahren – weil man

a) dann bei einer Panne nicht völlig gearscht ist und

b) die Landschaften bestaunen kann.

Der Grund der Nachtfahrt war, dass wir am nächsten Tag in Whitehorse den Termin beim Tierarzt hatten, um Jake die Impfungen und nötigen Unterlagen zu besorgen. Also fuhren wir weiter und immer weiter, bis wir um circa drei Uhr nachts am Horizont einen schief am Straßenrand liegenden Transporter sahen. Die Gegend war nun sehr flach, wie eine weite Steinwüste. Keine Bäume, keine Tiere, nichts. Der Transporter kam näher und ich ging davon aus, dass er liegengeblieben war. Ich fuhr langsamer und ließ das Fenster runter, um im selben Moment circa 10 Männer hinter dem Wagen zu sehen. Während ich noch das Fenster runterließ, kamen wir zum Stehen und ich konnte einen Blick von hinten in den Transporter werfen. Ich fragte wie der naivste deutscher Eierkopf, ob ich helfen könne und entdeckte ein komplettes Waffenarsenal im Wagen. Einer der Kerle sagte mir recht deutlich, dass ich weiterfahren soll, was ich mit Vergnügen dann auch tat. Zur Sicherheit drückte ich auf die Tube und holte mal circa alles aus den 190 PS des Vans raus.

Aber was war hier geschehen? Mitten im absoluten Nichts irgendwo in Alaska stehen 10 Männer hinter einem scheinbar liegengebliebenen Transporter, der so viel Waffen beinhaltete, dass bei diesem Anblick selbst John Wayne vor Schreck die Zigarre aus dem Mund gefallen wäre. War es ein illegales Waffengeschäft? Wenn ja, wie macht man dann einen Treffpunkt aus, wo es keine Orientierungspunkte gibt? Und wieso sind da mehr Menschen als in ein Auto passen? Bis heute war das eines meiner skurrilsten Erlebnisse und ich kann mir immer noch nicht erklären, was dort vor sich ging.

 

Der König der Wildnis

Die Reise in Alaska näherte sich dem Ende, aber es sollten noch zwei Highlights folgen. Im dichten Morgengrauen entdeckte ich etwas im Gebüsch unweit der Strasse. Wir hatten schon einige Tiere wie Elche, Bisons oder Schwarzbären gesehen, aber dieser Moment toppte das Ganze noch einmal. Es war ein Grizzly! Er war etwas weit weg und doch gut zu erkennen.

Kurze Zeit später dann, zeigte sich auch die ganze Schönheit der Natur von ihrer besten Seite. Riesige Seen mit Bergen im Hintergrund, so wie man sich Alaska eben vorstellt. Auf dieser Strecke gab es so etwas wie einen Fahrradweg zwischen Fahrbahn und See. Nicht weiter besonders, wäre da nicht ein weiterer Grizzly aufgetaucht. Er lief einfach auf dem Fahrradweg entlang und ich konnte parallel auf der Fahrbahn fahrend aus circa 10 Meter Entfernung ein Video machen (Achtung: niemals während der Fahrt mit technischen Geräten spielen!). Die Bilder sprechen für sich und doch ist es in Realität um einiges intensiver. Dem König der Wildnis so nahe.

Kurz nach der Grenze zu Kanada trafen wir einen weiteren Grizzly und somit hinterließ dieser Roadtrip ein unglaublich intensives Gefühl – oder wie der Literaturkritiker sagen würde – ein zum Nachdenken anregendes Erlebnis. Übrigens auch für Jake, der die komplette Strecke von Dawson City über Alaska bis nach Whitehorse wachgeblieben war.

Was Jake mit Sylvester Stallone aka. Rambo gemein hat, welches Fest wir mit Native Americans – den amerikanischen Ureinwohnern – gefeiert haben und wie ich mit ihm zurück nach Deutschland geflogen bin, liest du im letzten Teil der Jake-Story!

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